Flauschige Helferin auf vier Pfoten

Die hundgestützte Therapie des Teams "Wiebke Jansen und Emma" ist ein Weg, der vor allem demenziell Erkrankten weiterhelfen kann. Unkompliziert und spielerisch. Dabei spielt es keine Rolle, wie weit die Erkrankung bereits fortgeschritten ist.

Von Birgit Lembeck

| 4. August 2023

Wiebke Jansen und Hündin Emma sind regelmäßig zu Besuch bei unserem Kooperationspartner, der DKV-Seniorenresidenz am Tibusplatz in Münster. Jansen ist von Beruf Logopädin und Therapiebegleithundführerin. Emma trägt den Titel Therapiebegleithund. Das therapeutische Team bietet interessierten Seniorinnen und Senioren Einzelsitzungen sowie Gruppenaktivitäten an.

Was passiert in den Sitzungen?

Bei der hundgestützten Therapie geht man von der Annahme aus, dass sich die Interaktion mit einem Hund positiv auf Wohlbefinden, Lebensqualität und Gesundheit auswirken kann. Jansen hat dabei die Verbesserung der kognitiven, motorischen und sprachlichen Beeinträchtigungen im Blick und legt ihren Schwerpunkt auf demenzielle Erkrankungen. Die bloße Anwesenheit von Emma trägt dazu bei, eine freundliche und entspannte Atmosphäre zu schaffen. Jansen berichtet von einem ihr in Erinnerung gebliebenen sehr introvertierten Senior, dem der Anblick von Emma plötzlich ein strahlendes Lachen über die gesamte Gesichtsbreite zauberte. Berührungen des wunderbar samtweichen Fells des Golden Retrievers können eine beruhigende Wirkung haben und Stress abbauen. Darüber hinaus trägt die Anwesenheit der Hündin zur sozialen Interaktion bei. Das gemeinsame Spiel mit dem Tier kann Menschen dazu ermutigen, miteinander zu interagieren. Dies fördert die Kommunikation und stärkt das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Residenz.

Gibt es hierfür eine Erklärung?

Es ist eigentlich ganz einfach: Bei einer Demenz lässt die Fähigkeit, Sprache zu verstehen und sich auszudrücken, immer mehr nach. Dagegen bleibt die Aufnahmefähigkeit für alles Nonverbale und Emotionale erhalten. Die an Demenz Erkrankten bleiben über ihre Sinne mit der Welt in Kontakt: über das Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. Der Kontakt auf diesen tieferen Ebenen ist nur bei einer emotionalen Verbindung und einer kongruenten Kommunikation mit einer engen Kontaktperson möglich. Die ist aber nicht immer vor Ort. Und zu manchen Zeiten ist auch ein sehr nahestehender Mensch mit der Situation überfordert. Im Heim ist die Lage häufig noch schwieriger: Dort fehlt vielleicht der enge Kontakt zu einer Person vollständig und es gibt nur noch Kontakt zum Pflegepersonal, zu dem keine wirkliche Beziehung entstehen kann. Die Isolation verstärkt sich und es erfolgt ein weiterer Rückzug in die eigene Welt.

Ein Hund wertet nicht

Nun kommt der Hund ins Spiel. Der Hund spricht nicht und erwartet dies auch nicht von seinem Gegenüber. Er stört sich nicht daran, immer wieder und wieder dieselben Worte zu hören, auch wenn sie unverständlich artikuliert werden oder überhaupt keinen Sinn ergeben. Er lauscht geduldig und reagiert nur auf nonverbale Signale. Er scheint tatsächlich menschliche Gefühle zu verstehen und zeigt seine Zuneigung, indem er mit dem Schwanz wedelt, sich anschmiegt und liebevoll Pfötchen gibt, wenn er sich freut. Durch den nahen Körperkontakt entsteht Vertrautheit und eine emotionale Bindung. Der Hund ist einfach da. Mehr nicht. Er reflektiert nicht, er wertet nicht, er muss die Schwächen und Probleme seines Gegenübers nicht aushalten. Der Mensch erfährt eine bedingungslose Nähe und Zuwendung, was für einen gesunden Menschen ja schon eine ganz besondere Erfahrung ist, für die demenziell erkrankte Person umso mehr, denn sie erhält dadurch wieder ein Gefühl von Bedeutsamkeit, ein verlorengegangenes Gefühl zur Wahrnehmung der eigenen Identität.

Sich-Erinnern durch Loslassen

Der Erhalt bzw. die Reaktivierung der eigenen Identität, die Wahrnehmung der eigenen Person, das ist genau das Ziel. Hierzu tragen persönliche Erinnerungen bei, Kindheitserinnerungen vor allem, die durch den taktilen Umgang mit dem Tier geweckt werden. Die frühkindliche Sprach- und Persönlichkeitsentwicklung basiert auf sensomotorischen Erfahrungen. Nicht über das Bewusstsein, sondern über Emotionen sind diese beiden Bereiche eng miteinander verknüpft. „Ganz plötzlich, während sie sich intensiv mit Emma beschäftigen, erinnern sich manche Senioren und Seniorinnen wieder an etwas, zum Beispiel an Namen, so als ob sich innerlich ein Knoten lösen würde,“ erzählt Jansen, „fast alle reagieren sehr positiv auf Emma, sie werden kommunikativer.“

Welche Tiere sind zu Therapiezwecken geeignet?

Auf die Frage, ob denn auch andere Hunderassen oder andere Tierarten als Therapiebegleittier in Frage kommen, erklärt Jansen, dass das Ausschlaggebende der Charakter des Tieres sei, auch Alpakas, Lamas, Kaninchen oder sogar Hühner seien in gewisser Weise brauchbar. Emma wurde bereits von der Hundezüchterin als besonders geeignet für einen Therapiebegleithund ausgewählt, sie war von Geburt an sehr verschmust, kontaktfreudig und ließ sich schon immer gerne anfassen. An die obligatorischen Hundeschule schloss sie die einjährige Therapiehundausbildung mit Eignungsprüfung – die Hunde dürfen keinesfalls hochspringen oder beißen – und einer anspruchsvollen Abschlussprüfung an.

Was gibt es zu beachten?

Die hundgestützte Therapie ist nicht für alle Menschen gleichermaßen geeignet. Tierliebe und Freude im Umgang mit Hunden sollten natürlich vorhanden sein, wobei eigentlich erstmal nur bloße Neugier ausreicht. Jansen berichtet zum Beispiel von einer Bewohnerin, die einfach nur mal zuschauen wollte und auf diese Weise mit der Gruppe in Kontakt kam. Ferner sollten keine Allergien und offene Wunden vorliegen, auch etwas Vorsicht bei der Einnahme von Antikoagulantien sollte geboten sein. Regelmäßige tierärztliche Untersuchungen, Entwurmungskuren und Impfungen sind für den Hund unerlässlich, um die Gesundheit der Bewohner zu gewährleisten.

Erwiesene Wirksamkeit

Wissenschaftliche Studien belegen, dass die hundegestützte Therapie positive Effekte – Lächeln, Blickkontakt, vermehrte verbale Äußerungen – auf Befindlichkeit und Sozialverhalten von demenziell Erkrankten hat, wenn auch rational messbare Indikatoren dazu fehlen. Jansen bemisst den Erfolg ihrer Therapie anhand der Rückmeldungen, entweder von den Betroffenen selbst oder von Kontaktpersonen, die ihr berichten, dass sie von Emma erzählen oder nach ihr fragen. Interessant ist, dass es bei den wissenschaftlichen Beobachtungen keine signifikanten Unterschiede zwischen einer beginnenden und einer weiter fortgeschrittenen Demenz geben soll. Demnach bleiben die emotionale und die nonverbale Ebene bei Demenz tatsächlich intakt. Wir müssen nur den Zugang finden, der mehr und mehr hinter einer Mauer zu verschwinden droht. Die hundgestützte Therapie ist hierfür eine ganz besondere Möglichkeit, eine sehr sympathische.

Wiebke Jansen und Hündin Emma

Der Text basiert auf einem Interview mit Wiebke Jansen aus Münster, Logopädin B. Sc., Lerncoach/Lerntherapeutin und Therapiebegleithundführerin sowie der Publikation: Eileen Hegedusch und Lars Hegedusch: Tiergestützte Therapie bei Demenz. Die gesundheitsfördernde Wirkung von Tieren auf demenziell erkrankte Menschen, Bremer Schriften (Publikationen aus den Arbeitsschwerpunkten des Instituts für angewandte Pflegeforschung an der Universität Bremen), Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2007.

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