Ruhelosigkeit – Wenn Stillstand nicht möglich ist
Ruhelosigkeit und Rastlosigkeit sind häufige Begleiter der Demenz. Strukturiertes Handeln, sichere Räume und emotionale Stimulation bieten Unterstützung für Pflegende und Angehörige.
Von Ines Erfurth
| 8. Oktober 2024

Wenn Menschen an Demenz erkranken, ist dies nicht nur eine Herausforderung für sie selbst, sondern auch für ihre Angehörigen und Pflegenden. Eine der häufigsten und zugleich belastendsten Verhaltensweisen, die im Laufe der Erkrankung auftreten können, ist die Ruhelosigkeit. Diese äußert sich durch ständiges Umherwandern, Rastlosigkeit, Nervosität oder das sogenannte „Sundowning“, welches vor allem in den Abendstunden zu besonders ausgeprägter Unruhe führt. Wie können Sie diese Verhaltensweisen verstehen und unterstützen? Und wie können Angehörige und Betreuende mit der emotionalen Belastung umgehen?
Ruhelosigkeit und Rastlosigkeit bei Demenz: Eine Herausforderung für Betroffene und Pflegende
Für viele Menschen mit Demenz ist der Drang, sich zu bewegen, oft unvermeidlich. Sie laufen durch Gänge, erkunden Räume und suchen nach einem Ziel, das sie selbst vielleicht nicht mehr genau benennen können. Für die Betroffenen mag es der Versuch sein, sich einen Raum zu erschließen, der ihnen immer fremder wird. Doch für Angehörige und Pflegende stellt dieses Verhalten eine Herausforderung dar. Was, wenn der Betroffene stürzt? Was, wenn er erschöpft ist und dennoch nicht zur Ruhe findet?
Das Umherlaufen an sich hat durchaus positive Aspekte. Es fördert den Gleichgewichtssinn, stärkt die Muskulatur und trägt zu einer besseren Durchblutung bei. Doch die Risiken sind nicht zu unterschätzen. Gerade in Pflegeeinrichtungen kann es zu Konflikten kommen, wenn Betroffene ständig in fremde Zimmer eindringen oder versehentlich gefährliche Bereiche betreten. Zudem besteht das Risiko, dass sie sich selbst durch Stürze oder körperliche Erschöpfung gefährden.
Eine Lösung für diese Herausforderungen bieten spezialisierte Wohnformen wie Demenz-Wohngemeinschaften, in denen die Umgebung gezielt auf die Bedürfnisse der Betroffenen ausgerichtet ist. So gibt es zum Beispiel in der DKV-Residenz das Haus Genius, das den Bewohnerinnen und Bewohnern einen geschützten Rahmen bietet, in dem sie sich frei bewegen können, ohne in gefährliche Situationen zu geraten. Durch gezielte Maßnahmen wie eine angepasste Raumgestaltung und ein unterstützendes Betreuungsteam wird die Selbstständigkeit der Betroffenen gefördert, während gleichzeitig ihre Sicherheit gewährleistet ist.
Sundowning – Wenn die Dämmerung die Unruhe weckt
Eines der erschütterndsten Phänomene, das Angehörige oft emotional trifft, ist das sogenannte Sundowning. Diese Form der Unruhe tritt vor allem in den späten Nachmittags- und Abendstunden auf. Wenn der Tag sich dem Ende zuneigt, wird der Mensch mit Demenz immer unruhiger, oft auch aggressiv. Die vertraute Tagesstruktur zerfällt, die Dunkelheit bringt Angst und Unsicherheit mit sich. Häufig sind es genau diese Momente, in denen Betroffene beginnen, ruhelos herumzuwandern und kaum noch zur Ruhe finden.
Für pflegende Angehörige ist dies eine extrem belastende Zeit. Der Mensch, den sie kennen und lieben, scheint ihnen plötzlich fremd und unerreichbar. Und obwohl diese Unruhe medizinisch erklärbar ist, bleibt sie emotional schwer greifbar. Im Internet finden Sie Informationen rund um das Thema Selbsthilfe für Angehörige und weitere Angebote für Betroffene.
Warum entsteht diese Unruhe?
Die Ursachen für Ruhelosigkeit und Rastlosigkeit bei Menschen mit Demenz sind vielschichtig. Sie reichen von physischen Faktoren, wie Schmerzen oder Krankheiten, über psychische Belastungen bis hin zu tieferliegenden emotionalen Problemen:
- Schmerzen und körperliche Beschwerden: Oftmals können Menschen mit Demenz nicht mehr klar ausdrücken, dass sie Schmerzen haben oder krank sind. Das führt dazu, dass sie sich unruhig verhalten, um auf sich aufmerksam zu machen.
- Angst und Orientierungslosigkeit: Das Gefühl, sich nicht mehr zurechtzufinden, kann zu großer innerer Anspannung führen. Alles Bekannte scheint sich aufzulösen, und der Mensch fühlt sich verloren.
- Langeweile und fehlende Tagesstruktur: Wenn der Alltag eintönig wird und keine sinnvolle Beschäftigung angeboten wird, wächst die Unruhe. Menschen mit Demenz sehnen sich nach Aufgaben, die sie kennen und die ihnen ein Gefühl von Sinn und Normalität vermitteln.
Wie können wir helfen?
Ruhelosigkeit ist nicht nur ein Symptom der Krankheit, sondern auch ein Ausdruck eines tiefen menschlichen Bedürfnisses: Dem Wunsch nach Sicherheit, Geborgenheit und Sinn. Um Menschen mit Demenz in solchen Momenten zu unterstützen, ist es wichtig, einen Raum zu schaffen, der sowohl physische als auch emotionale Sicherheit bietet.
- Schaffen Sie eine beruhigende Umgebung:
Eine angenehme Atmosphäre mit sanfter Beleuchtung und bequemen Sitzgelegenheiten kann Menschen mit Demenz helfen, sich zu entspannen. Oft wirken auch leise Musik oder vertraute Düfte beruhigend.
- Bieten Sie strukturierte Tagesabläufe:
Klare Rituale und feste Strukturen geben den Betroffenen Orientierung und können dazu beitragen, die innere Unruhe zu mindern. Regelmäßige Spaziergänge, Seniorengymnastik oder biografisch verankerte Tätigkeiten können wertvolle Anker im Tagesablauf sein.
- Geben Sie Raum für Bewegung:
Es ist wichtig, dem natürlichen Bewegungsdrang von Menschen mit Demenz Raum zu geben. Gesicherte Gartenanlagen oder regelmäßige Spaziergänge ermöglichen es ihnen, sich frei zu bewegen, ohne dass Gefahr besteht, dass sie sich verirren.
- Emotionale Stimulation durch vertraute Aktivitäten:
Aktivitäten wie das gemeinsame Anschauen von Fotoalben, das Musizieren oder der Kontakt mit Haustieren können den Betroffenen helfen, ihre innere Unruhe abzubauen und sich geborgen zu fühlen. Auch das Erzählen von Geschichten oder der Austausch über vergangene Zeiten haben oft eine beruhigende Wirkung.
- Sicherheitstechnologien nutzen:
In manchen Fällen können GPS-Tracker oder Türalarme hilfreich sein, um sicherzustellen, dass Betroffene nicht unbemerkt das Haus verlassen. Diese Maßnahmen stehen jedoch stets im Einklang mit den ethischen Vorstellungen der Betreuenden und Angehörigen.
Ruhe für alle Beteiligten – Ein emotionaler Balanceakt
Für Pflegende und Angehörige ist es wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, dass die Unruhe des Betroffenen nicht absichtlich geschieht. Sie ist Ausdruck eines tiefen inneren Chaos, das durch die Krankheit hervorgerufen wird. Gleichzeitig ist es entscheidend, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich rechtzeitig Unterstützung zu holen. Niemand sollte diese emotional aufreibende Aufgabe alleine bewältigen müssen.
Demenz bringt viele Herausforderungen mit sich – sowohl für die Betroffenen als auch für ihr Umfeld. Doch durch liebevolle Begleitung, Geduld und das Schaffen einer sicheren und beruhigenden Umgebung können wir dazu beitragen, diese Unruhe zu lindern. Letztlich geht es darum, den Menschen hinter der Krankheit zu sehen und ihm das Gefühl zu geben, dass er in seiner Welt nicht allein ist.
Quellenverzeichnis:
(Stand: 08.09.2024)
(Stand: 08.09.2024)
(Stand: 06.09.2024)
https://www.alzheimer-schweiz.ch/de/auguste/offenes-ohr/beitrag/unruhe
(Stand: 06.09.2024)
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