Sundowning bei Demenz: Wenn die Dämmerung zur Herausforderung wird
Die Sonne versinkt am Horizont, und plötzlich wandelt sich alles? Menschen mit Demenz, die tagsüber ruhig und ausgeglichen erscheinen, werden unruhig, verwirrt oder sogar aggressiv. Möglicherweise finden Sie sich rastlos umherwandernd oder wirken ängstlich – vielleicht erkennen Sie auch ihre eigene Umgebung nicht mehr. Das Phänomen wird als Sundowning-Syndrom bezeichnet; es stellt eine Belastung für die Betroffenen, aber auch für Angehörige dar. Was aber ist die Ursache für diese geheimnisvolle Unruhe in den Abendstunden? Und vor allem: Wie geht man damit um?
Von Ines Erfurth
| 16. April 2025

Was versteht man unter Sundowning?
Im Gegensatz zu vielen anderen Demenzsymptomen, die sich langsam und über den Tag verteilt zeigen, tritt das Sundowning-Syndrom hauptsächlich in den späten Nachmittags- und Abendstunden auf. Betroffene scheinen dann stärker desorientiert, reizbar oder ängstlich zu sein. Einige zeigen Widerstand gegen pflegerische Maßnahmen, andere wirken unruhig oder geraten in regelrechte Panik.
Die genauen Ursachen für das Sundowning sind noch nicht vollständig erfasst. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Syndrom und der inneren Uhr, dem natürlichen zirkadianen Rhythmus, besteht, da das Gehirn die Signale für Tag und Nacht nicht mehr richtig verarbeiten kann. Die abnehmende Lichtintensität, Schatteneffekte und veränderte Geräuschkulissen während der Dämmerung könnten diese Unsicherheit verstärken (DocCheck).
Müdigkeit, Hunger und eine veränderte Tagesstruktur tragen ebenfalls erheblich dazu bei: Der Körper ist erschöpft, das Nervensystem weniger belastbar, wodurch das Risiko von Stressreaktionen zunimmt. Einige Betroffene reagieren ebenfalls auf Reizüberflutung, insbesondere wenn am Abend der Fernseher läuft, Gespräche als laut empfunden werden oder Hintergrundgeräusche noch präsent sind (Demenz-Portal).
Warum verstärkt die Zeitumstellung das Sundowning?
Spannenderweise tritt in den Wochen nach der Umstellung auf die Sommerzeit das Sundowning oft verstärkt auf: Der plötzliche Wechsel im Tagesrhythmus sorgt für zusätzliche Verwirrung: Die Uhr zeigt eine andere Zeit an, aber der Körper hält noch am alten Rhythmus fest. Dies kann für Menschen mit Demenz schwer nachzuvollziehen sein und verstärkt das Gefühl der Desorientierung (Memodio).
Wie zeigt sich das Sundowning-Syndrom?
Jeder Mensch mit Demenz kann das Sundowning unterschiedlich erleben, häufig jedoch zeigen sich folgende Symptome:
- Innere Unruhe: Zielloses Umherlaufen, Rastlosigkeit oder das Bedürfnis, „nach Hause“ zu wollen.
- Ängste & Verwirrung: Die Umgebung kann fremd erscheinen, vertraute Menschen werden so nicht mehr erkannt.
- Aggressives Verhalten: Plötzliche Wutanfälle oder Abwehrreaktionen können auftreten.
- Veränderte Wahrnehmung: Schatten und Geräusche werden möglicherweise als bedrohlich empfunden.
- Schlafstörungen: Probleme beim Ein- und Durchschlafen, daher auch verstärktes nächtliches Umherwandern.
Wie kann man das Sundowning mildern?
Ein Allheilmittel gegen das Sundowning-Syndrom gibt es nicht – doch einige Maßnahmen können helfen, die Abendstunden für die Betroffenen entspannter zu gestalten.
- Struktur und Rituale geben Sicherheit
Ein gleichmäßiger Tagesablauf hilft, Unsicherheiten zu reduzieren. Dabei schaffen feste Zeiten für Mahlzeiten, Bewegung und Ruhepausen Orientierung und vermitteln Stabilität. Besonders wichtig dabei: Am Abend sollte die Routine am besten ruhig ausklingen, also sollte auf plötzliche Aktivitäten oder Veränderungen verzichtet werden.
- Licht gezielt einsetzen
Da schwaches Licht Verwirrung auslösen kann, sollte eine gute Beleuchtung am Abend gezielt eingesetzt werden um eine potenzielle Schattenbildung zu minimieren und Orientierung zu bewahren. Warmes, indirektes Licht ist hierbei besser als grelles Neonlicht.
- Reizüberflutung vermeiden
Das Sundowning-Syndrom kann durch zu viele Geräusche oder eine hektische Umgebung verstärkt werden. Daher sollten laute Gespräche, der Fernseher oder Telefonklingeln in den Abendstunden reduziert werden. Stattdessen sollten ruhige Musik oder vertraute Geräusche akzentuiert werden, da diese zu meist beruhigend wirken.
- Bewegung in den Alltag integrieren
Menschen, die tagsüber aktiv sind, haben abends oft einen besseren Schlaf! Ein Nachmittagsbummel an der frischen Luft oder sanfte sportliche Aktivitäten können dabei helfen, überschüssige Energie abzubauen.
- Ernährung im Blick behalten
Hunger oder Durst können ebenfalls gelegentlich Unruhe hervorrufen. Ein leichtes Abendessen und ausreichende Flüssigkeitszufuhr über den Tag können einer solchen zusätzlichen Belastung entgegenwirken. Alkohol, koffeinhaltige Getränke und schwer verdauliche Nahrungsmittel sollten hingegen gemieden werden.
- Einfühlsame Kommunikation
Demenzpatientinnen und Patienten spüren Unsicherheiten ihrer Umgebung häufig vermehrt. Eine ruhige, freundliche Ansprache und einfühlsames Zuhören kann helfen, Ängste zu reduzieren. Statt Konfrontation ist es oft sinnvoller, auf die Emotionen des Betroffenen einzugehen, um eine Eskalation zu vermeiden.
Professionelle Unterstützung bei Sundowning
Tritt das Sundowning regelmäßig und stark ausgeprägt auf, kann es hilfreich sein, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die miCura Pflegeberatung berät Angehörige zu individuellen Strategien im Pflegekontext und begleitet Betroffene im Alltag. Besonders bei ausgeprägtem Sundowning kann eine professionelle Betreuung entlasten – sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihr Umfeld.
Gut zu wissen: Angehörige von Menschen mit Demenz haben gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI Anspruch auf eine kostenlose Pflegeberatung. Die Pflegeexperten von miCura helfen dabei, den Alltag mit Demenz besser zu gestalten und individuelle Lösungen für herausfordernde Situationen wie das Sundowning zu finden.
Fazit: Sundowning ist herausfordernd, aber beeinflussbar
Das Sundowning-Syndrom ist eine sehr belastende Begleiterscheinung der Demenz – doch es gibt Möglichkeiten, die abendliche Unruhe zu mildern. Mit gefetsigten Struktur, gezieltem Lichtmanagement, beruhigenden Ritualen und professioneller Unterstützung lässt sich die Situation für Betroffene und ihre Angehörigen deutlich entspannen.
Mehr erfahren? Besuchen Sie die miCura Pflegeberatung für weiterführende Informationen und individuelle Unterstützung rund um das Thema Sundowning und Demenzpflege.
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