Im Chaos gefangen: Verstehen und helfen beim Messie-Syndrom

Es gibt Menschen, die leiden unter einer Desorganisationsproblematik, besser bekannt als die sogenannten „Messies“. Doch was steckt dahinter? Wie kann man den Betroffenen helfen? Die Pflegeberatung von miCura ist mit der Problematik vertraut und kann unkompliziert weiterhelfen.

Von Birgit Lembeck

| 17. September 2024

Von Birgit Lembeck

| 17. September 2024

Was ist das Messie-Syndrom?

Jeder von uns legt bezüglich Ordnung und Unordnung unterschiedliche Maßstäbe an. Die Übergänge von einer „normalen“ Unordnung zum Messie-Syndrom sind fließend. Was dabei als noch akzeptabel gilt, ist nicht allgemeingültig definiert. Doch generell kann man sagen: Das Messie-Syndrom ist charakterisiert durch ein übermäßiges Ansammeln von wertlosen Gegenständen und der Unfähigkeit sich zu trennen und Ordnung zu halten. Dabei wird bestimmten Dingen ein übersteigerter Wert beigemessen.

Pathologisch wird es, wenn der Alltag nicht mehr organisiert werden kann und das Leben dadurch eingeschränkt ist. Bislang galt dieses Phänomen als Begleitsymptom einer Zwangsstörung. In einer Studie konnte dies 2022 widerlegt werden. Seitdem wird das Messie-Syndrom nach der ICD-11-Klassifikation als eigenständige Krankheit eingestuft, die in unterschiedlichen Erscheinungsformen ihren Ausdruck findet.

Wie zeigt sich die Krankheit?

Es gibt eine große Heterogenität der Ausprägungen. Grob betrachtet lassen sich drei grundsätzliche Typologien unterscheiden:

  • Pathologisches Horten:  Hierbei handelt es sich um den Sammelmessie, der es nicht über das Herz bringen kann, etwas wegzuwerfen. Die Ansammlungen sind meist ganz ordentlich angelegt – oft sogar pedantisch – und nach Objekten sortiert. Der Unterschied zu einer gesunden Sammelleidenschaft besteht darin, dass der Messie anderen seine Objekte nicht stolz präsentiert, sondern diese aufgrund ihrer Wertlosigkeit verschämt vor den Blicken anderer versteckt.
  • Das Verwahrlosungssyndrom:  Die Person vernachlässigt nicht nur seine Wohnung, sondern auch sich selbst als Person. Häufig ist dies die Folge einer Demenz, einer Suchterkrankung oder eines traumatischen Ereignisses, welches die Person völlig aus der Bahn wirft.
  • Das Vermüllungssyndrom: Die Wohnung ist mit Müll übersät und kaum noch begehbar. Manchmal verbindet die drei wichtigsten Stationen des Alltags – Bett, Kühlschrank und Toilette – (nur) noch ein schmaler Trampelpfad. Außerhalb der Wohnung ist dem Messie seine Wohnsituation oft nicht anzumerken: Er ist ordentlich gekleidet und die Arbeit wird perfekt gemeistert.

Wie entsteht das Messie-Syndrom?

Ganz unterschiedlich. Die Annahme einer frühkindlichen Bindungsstörung konnte bislang nicht bewiesen werden. Der Auslöser kann ein einschneidendes Erlebnis sein, wie eine Trennung oder eine Kündigung. Verlusterlebnisse können insofern eine Rolle spielen, indem Gegenstände als Ersatz für Beziehungen dienen. Neuerwerbungen stellen dann Ersatzbefriedigungen dar, die unbedingt festgehalten werden müssen. Auch das Fatigue-Syndrom, Konzentrationsschwäche, fehlendes Zeitmanagement, Einsamkeit im Alter, all das kann die Krankheit auslösen. Aber auch einfach purer Geiz oder die Abkehr von der Wegwerfgesellschaft und der unbedingte Wunsch, Ressourcen zu schonen.

Wie sieht sich der Messie selbst?

Den Begriff „Messie“ hat der betroffene Personenkreis selbst geprägt, ist also keineswegs abwertend gemeint, eigentlich ganz im Gegenteil. Denn der Messie ist zweierlei Bewertungssystemen ausgesetzt. Die Scham ist die eine Sache, doch eigentlich möchten die Messies gar nicht in einer so sauberen und geordneten Welt leben wie andere „normale“ Menschen. Messies fühlen sich selbst häufig als etwas Besonderes nach dem Motto „Im Chaos bin ich König“, doch ist die Erhöhung der eigenen Person damit verknüpft, das bestehende Defizit zu kompensieren. Das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung spielt dabei eine große Rolle. Darüber hinaus halten sich Messies für überdurchschnittlich kreativ. Tests haben dies tatsächlich bestätigt, aber auch, dass die vorhandene Kreativität keine Umsetzung erfährt.

Wann liegt eine Behandlungsbedürftigkeit vor?

Eine unordentliche Wohnung stört erstmal niemanden, solange der Zutritt anderen verweigert wird. Und wie gesagt, der Messie selbst kann außerhalb der eigenen vier Wänden in seinem sozialen Umfeld völlig „normal“ erscheinen. Man würde nun annehmen, es ist Gefahr in Verzug, wenn die betroffene Person beginnt, Leidensdruck zu verspüren. Das kann allerdings dauern, denn Messies leiden selbst in der Regel gar nicht unter der Unordnung. Dagegen empfinden sie die große Scham vor anderen. Auch die Notwendigkeit der Inanspruchnahme eines Pflegedienstes wird vermieden. Sie driften also immer mehr in die soziale Isolation ab, obwohl sie eigentlich nette, soziale und kontaktfreudige Menschen sind. Die Vereinsamung, die auch manchmal mit einer Depression einhergeht bzw. in eine mündet, ist also der Leidenspunkt, an dem in der Regel angesetzt wird. Aus dieser Situation heraus wird dann nach Hilfe gesucht.

Wie findet man Hilfe?

Es gibt ein vielfältiges Hilfsangebot, wie zum Beispiel das bundesweite Messie-Hilfe-Telefon vom H-Team e.V. für Bürger in Not (089/55064890), das Caritas-Haushaltsorganisationstrainung, Coaching-Angebote mit Aufstellen von Arbeitsplänen oder die klassische Psychotherapie. Messie-Beraterin Veronika Schröter hat in Stuttgart ein Messie-Kompetenz-Zentrum gegründet und bildet Fachkräfte aus, die Messies hilfreich zur Seite stehen. Denn mit einer Entrümpelung ist es nicht getan, zumindest nicht ohne ein Verstehen und Eingreifen in die subjektive Realität des Messies, da das Chaos aufgrund der inneren Strukturlosigkeit immer wieder neu entstehen wird. Der psychologische Zugang, das Feingefühl im Umgang mit der Scham sowie die Würdigung kleiner Fortschritte sind die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Unterstützung und Motivation.

Sofern ein ambulanter Pflegedienst benötigt wird, sollte er auch in Anspruch genommen werden, denn es besteht überhaupt kein Grund zur Scham. Die Pflegekräfte haben schon viel gesehen und sind mit dem Messie-Thema entsprechend gut vertraut. Bei miCura kommen diese Fälle immer mal wieder vor. Man weiß auf jeden Fall Rat und kümmert sich um eine Lösung. Was viele gar nicht wissen: Der Pflegedienst kümmert sich nicht nur um die Pflegebedürftigen als Person, sondern auch um das häusliche Umfeld. Eine gute erste Anlaufstelle ist daher die kompetente Pflegeberatung von miCura Düsseldorf oder Hamburg. Gemäß § 37 Abs. 3 SGB XI haben Personen bei einem vorliegenden Pflegegrad Anspruch auf eine kostenlose Beratung. Die Beratung beinhaltet auch Fragen zur Desorganisationsproblematik als Bestandteil des angebotenen Leistungsspektrums.

 

Quellen

Steins, Gisela: Das Messie-Phänomen, Lengerich 2003

https://www.veronika-schroeter.de/fachartikel-zum-messie-syndrom/ (abgerufen am 6.2.2024)

https://akademie.org/das-messie-syndrom-neue-erkenntnisse-aus-der-fachwelt/ (abgerufen am 6.2.2024)

 

 

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