Weil’s einfach schön war

Maria Bömer, die 71-jährige Leiterin der Demenz-Wohngemeinschaft „Haus Genius“ der DKV-Residenz am Tibusplatz in Münster geht in den wohlverdienten Ruhestand. An ihrem letzten Arbeitstag macht sie mit ihrer „Familie“ einen Ausflug. Und erzählt, wie es war, wie es ist, was sie motiviert hat und was sie vermissen wird.

Von Birgit Lembeck

| 28. September 2023

Von Birgit Lembeck

| 28. September 2023

Am letzten Mittwoch im August versammeln sich die neun Bewohnerinnen der Demenz-Wohngemeinschaft im Foyer der Residenz. Trotz des schlechten Wetters herrscht Ausflugstimmung. Man freut sich auf eine Rikschafahrt durch die Stadt, die die Seniorinnen bei einer Aktivität der Viola Gräfin von Bethusy-Huc Stiftung, einer Stiftung zur Betreuung an Demenz Erkrankter, gewonnen haben. Da nur drei Rikschas für je zwei Personen zur Verfügung stehen, wird die Gruppe auf zwei aufeinanderfolgende Fahrten aufgeteilt. Die Wartezeit für die zweite Gruppe wird genüßlich im Café Extrablatt auf der gegenüberliegenden Straßenseite bei Kaffee und Kuchen überbrückt. Nach einer halben Stunde erfolgt ein fliegender Wechsel, bis schließlich nach einer Stunde alle Demenz-WG-ler- und Betreuerinnen gemütlich im Café beisammensitzen. Und es gibt an diesem Tag noch ein besonderes Ereignis: Die Leiterin der Demenz-WG, Maria Bömer, hat ihren letzten Arbeitstag. Die 71-jährige verabschiedet sich heute in den Ruhestand und gibt einen kleinen Rückblick auf ihr Schaffen.

Maria Bömer zusammen mit einer Bewohnerin beim Einsteigen in die Rikscha

Bevor Frau Bömer vor fünfeinhalb Jahren zur Wohngruppe kam, war sie 24 Jahre Pflegedienstleitung bei einem ambulanten Pflegedienst, davon 8 Jahre als Leiterin einer Demenz-Wohngemeinschaft . Als sie in Rente ging, wurde ihr die Leitung der Demenz-WG in der DKV-Residenz angeboten und als sie sich dort umschaute und noch überlegte, ob sie es wirklich tun soll, gab ihr eine Bewohnerin plötzlich die Hand und sagte zu ihr: „Schön, dass Du da bist!“ Damit war die Entscheidung gefallen. Die Bewohnerin sitzt ihr jetzt gerade im Café gegenüber. Man spürt die enge Verbindung und die Vertrautheit zwischen beiden. Während Frau Bömer von der Demenz-WG erzählt, hält sie ihre Schützlinge fest im Blick und kümmert sich, dass alle ihr Kuchenstück haben, dass alle zufrieden sind und nichts schiefgeht.

Das Haus Genius ist in der Residenz wenig bekannt, so ist es interessant, mehr über diesen speziellen Wohnbereich zu erfahren: In der Demenz-WG hat jede Bewohnerin ihr eigenes Appartement. Es gibt einen großen Gemeinschaftsraum, in dem sich die Mitbewohnerinnen tagsüber aufhalten, sowie eine gemeinsame Küche. Eine Betreuungs- und eine Pflegekraft sind stets anwesend und gestalten den Tag. Sie schaffen eine familiäre Atmosphäre und sorgen für Aktivitäten. Die Bewohnerinnen hören zum Beispiel gerne gemeinsam Musik und lieben es, gemeinsam zu singen, wie Frau Bömer berichtet. Auch Spiele, die das Gedächtnis aktivieren, sind sehr beliebt. Das Wichtigste sei, den Erkrankten ein gutes Zuhause zu bieten und sie dabei immer wieder schöne positive Momente erleben zu lassen. Die Bewohnerinnen bleiben in der Regel bis zum Tod in der Demenz-WG und bis dahin sollen sie ein gutes Leben haben.

„Es ist für die betreuenden Pflegekräfte eine ganz besondere Form der Pflegearbeit: eine emotionale Pflege,“ erklärt Frau Bömer, „Liebe und Respekt sind das A & O. Respekt vor dem Altwerden, den Menschen, die in ihrem Leben viel geleistet haben. Der größte Fehler ist, eine dementiell erkrankte Person wie ein Kind zu behandeln. Oder gar mit Sedativa ruhigzustellen. So etwas gibt es bei uns nicht.“

Frau Bömer freut sich vor allem über diese ganz besonderen, individuellen Momente, die plötzlich wie Sterne vom Himmel fallen, wenn zum Beispiel eine Bewohnerin wie aus heiterem Himmel einen Geistesblitz hat. Solche Momente liebt sie, „weil‘s einfach schön ist,“ und bestärken sie darin, das Richtige zu tun oder besser gesagt, getan zu haben.

Frau Bömer blickt mit einer großen Zufriedenheit für ihre Tätigkeit zurück. Sie wird ihre „Familie“ schwer vermissen, das ist im Gespräch sehr deutlich zu spüren, aber auch, eine Aufgabe zu haben. „Ich war immer aktiv, immer in Bewegung, jetzt muss ich zurückfahren,“ sagt sie, aber sich nun endgültig zur Ruhe zu setzen, daran kann sie momentan überhaupt noch nicht denken. Ein neuer Plan ist längst geschmiedet: Sie möchte ihren umfangreichen Wissensschatz weitergeben und plant gerade eine Beratungstätigkeit für pflegende Angehörige.

Alles Gute für Sie, Frau Bömer!

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